Ein Tag im Leben der Mächtigen – Konfliktplanspiel der Q11

 

Die „offene Wunde der Welt“ – Im Jahr 2014 war dies noch in den Worten des damaligen UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon der Syrienkonflikt. Der Islamische Staat war im Begriff, sich auf brutale Weise ein Staatsgebiet zu erobern, und die Welt eilte zusammen, um eine Lösung zu finden. Genau diesem Szenario widmeten sich 32 Schülerinnen und Schüler der Q11 am Freitag, den 8.4.22. Der Ukrainekrieg hat die Aktualität von Fragen der Sicherheitspolitik zwar auf bittere Weise in der Vordergrund gerückt, aber dieses Planspiel war schon lange vorher angebahnt, immer wieder durch Corona verschoben und in Frage gestellt worden. Die Leitung übernahmen Hauptmann Philipp Nürnberger und Hauptmann Marius Erbrich, zwei Jugendoffiziere der Bundeswehr.

 

Bis ins Detail vorbereitete Materialien, von der Hymne der teilnehmenden Staaten über Rollenkarten bis hin zu Spielsteinen mit den jeweils verfügbaren Ressourcen erleichterten die Einfindung in die Rollen. Und ganz im Sinne des method acting kamen die Schülerinnen und Schüler in Hemd und Jacket, im Blazer oder eben im – soweit möglich – landestypischen Outfit im Fall des Iran oder Saudi-Arabiens.

Peschmerga, YPG, Hisbollah… den Erwachsenen vertraut gewordene Begriffe, aber für die Schülerinnen und Schüler Fremdworte. Eine Woche zuvor hatte deshalb Hptm. Nürnberger eine Einführung in die Situation gegeben, den historischen Hintergrund erklärt und auf die zu spielenden Rollen vorbereitet. Nach einer kurzen Einstiegsphase begann deshalb der Tag, der anfangs dem Ablauf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates nachempfunden war. Die Schülerinnen und Schüler hielten jeweils eine 2minütige Rede zu den Leitlinien „ihres“ Staates, ob nun Deutschland, Libanon, Frankreich oder Israel. Im Anschluss begann das eigentliche Politikgeschäft. Man wanderte von Tisch zu Tisch, verhandelte mit potentiellen Verbündeten, schloss Allianzen gegen traditionelle oder neue Gegner, um dann den Resolutionsentwurf zu diskutieren, der mittlerweile vom Generalsekretariat erstellt worden war. Begleitet wurden die Verhandlungen durch die Pressevertreterinnen, die live auf einem nur für die Veranstaltung geschaffenen, privaten Instagram-Account die mitgehörten Interna veröffentlichten und somit manche Staaten teils in plötzliche Bedrängnis brachten.

In der Debatte wurden die Schwächen des ersten Resolutionsentwurfes zielsicher kritisiert, da wie im wirklichen Konflikt Eigeninteressen vieler Staaten berührt waren, wie z. B. im Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Die Schülerinnen und Schüler führten sich quasi selbst vor Augen, dass die Bekämpfung des IS für viele fast zweitrangig war hinter der Wahrung eigener Interessen im Nahen Osten.

Der nachgebesserte Resolutionsentwurf scheiterte – wie in der Realität – am Veto Russlands, was bedeutete, dass die Staaten nun über Einzelbündnisse oder eben ohne rechtliche Grundlage wie ein UN-Mandat diplomatisch und militärisch tätig wurden. Dabei brachte diese Lehrstunde teils seltene Ergebnisse zutage wie ein Bündnis des Iran mit den USA. Jede Gruppe platzierte nun ihre Ressourcen auf einer digitalen Karte. Beim Einsatz aber (ver)störten die Fragen der Simulationsleiter, z. B. ob man die Regierungen der Zielländer eingebunden habe oder welche Ziele man mit dem Militär verfolge, da die Bombe, die „nur die richtigen“ treffe, eben „noch immer nicht erfunden“ sei. Mancher lernte hier rasch die Grenzen der „eigenen“ Überlegungen und Macht.

Abschließend verglichen alle Teilnehmer ihre Ergebnisse mit den ursprünglichen Zielsetzungen und mussten dabei kritische Nachfragen ertragen. Das Feedback der Spielleiter zeigte, dass man von der tatsächlichen Vorgehensweise gegen den Islamischen Staat nicht allzuweit entfernt gewesen war. Hier war die Erfahrung der beiden Jugendoffiziere Nürnberger und Erbrich zu spüren, die dieses politische Bildungsangebot der Bundeswehr für Schulen souverän und mit Gespür für die Gedankenwelt der Jugendlichen moderierten.

Die Spielleiter zeigten sich am Ende eines langen, intensiven Tages höchst angetan von der Leistung der Schülerinnen und Schüler, ihrem rhetorischen Niveau, dem Engagement in Planung und Debatte und der Qualität der Beiträge. Vor allem aber war die Konzentration und Empathie beeindruckend, mit der die Jugendlichen in einer für sie mehr als ungewohnten Rolle ein noch ungewohnteres Politikfeld einen ganzen Tag lang durchlebten.

(Ri)